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Lernen in Entwicklungsländern ist nicht „zu den Armen in Afrika reisen“

Gates fordert Lernen in Entiwkclungsländern

SPIEGEL-Redakteure zitieren Bill Gates falsch

Der SPIEGEL-Online veröffentlichte jüngst ein Interview mit Microsoft-Gründer Bill Gates, der gleichzeitig auch Gründer der weltweit finanzstärksten privaten Wohltätigkeitsstiftung, der Bill und Melinda Gates Foundation ist, zum Thema private und staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Gates äußerte sich darin auch indirekt zum Thema Freiwilligenarbeit in Entwicklungs- und Schwellenländern und vertritt sehr gut durchdachte Positionen, die wir auf wegweiser-freiwilligenarbeit.com weitestgehend teilen. Dazu weiter unten mehr. Der Titel dieses Interviews jedoch – Bill Gates im Interview: Jeder sollte mal zu den Armen nach Afrika reisen – ist erschreckend rückwärtsgewandt und wie aus einem anderen Jahrhundert. Ein offener Brief an die Redaktion:

Liebe SPIEGEL-Redakteure,

Ich verstehe, dass Ihnen ihr schnelles Redaktions-Leben nicht immer die Zeit zum langen Nachdenken lässt, aber bei der Betitelung des Gates-Interviews hätte ich Ihnen mehr Wissen und Fingerspitzengefühl zugetraut, als sich aus den Worten „zu den Armen in Afrika reisen“ schließen lässt. Zum Glück hat Mr. Gates das im Interview so nicht gesagt und ich bezweifele stark, dass er diesen Titel so genehmigt hätte. Mich hat er jedenfalls schockiert.

Denn die Einwohner von Entwicklungsländern sind mitnichten immer „Arme“ und viele dieser Menschen fühlen sich durch eine solche Bezeichnung herabgewürdigt. Der Süden ist vielseitiger, als das Bild der armen, armen Kinder mit Blähbauch, das Sie wahrscheinlich beim Schreiben Ihrer Überschrift im Kopf hatten.

Auch geht es Bill Gates ganz augenscheinlich nicht nur um Afrika. Im Zusammenhang mit dem Sammeln eigener Erfahrungen während des Urlaubs in Entwicklungsländern wird dieser Kontinent mit keinem Wort erwähnt. Bitte berücksichtigen Sie, dass es immer mehr Afrikanern ganz gehörig gegen den Strich geht, als Symbol für Armut herhalten zu müssen. Wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben, gucken Sie sich bitte das exzellente Video Let’s save Africa! – Gone Wrong von Africa for Norway an. Vielleicht regt Sie das zum Nachdenken an.

Vor allem hat Bill Gates laut dem Interview mehr im Sinn, als das bloße Bereisen und Konsummieren eines Landes, in dem es die Millennium-Ziele noch zu erreichen gilt. Er spricht vielmehr davon „die betroffenen Regionen (…) zu besuchen, seine Urlaubszeit zu nutzen, um sich eine bessere Sicht auf die Dinge zu verschaffen.“ Wenn man z. B. den Blog-Beitrag 12 Wege in Entwicklungsländern zu reisen, ohne sich als Vollidiot aufzuführen auf der von ihm angesprochenen Website globalcitizen.org liest, wird klar, dass es um Verstehen und Lernen geht, und nicht um Armuts-Tourismus, wie ihn Ihre Überschrift suggeriert. Übrigens Punkt 3 dieses Blog-Beitrags ist „Glaube nicht, dass alle arm sind“.

Und da gilt „Great minds think alike.“ (Gefällt mir besser, als das deutsche „Zwei Dumme, ein Gedanke. 😉 ), möchte ich Bill Gates zum Abschluss noch beipflichten, wie wichtig es ist, dass wir Europäer eigene Erfahrungen machen, um die Zusammenhänge zwischen dem Leben dort und dem Leben hier zu verstehen. Bei wegweiser-freiwilligenarbeit.com bemühen wir uns Freiwilligenarbeit im Ausland zu fördern, die zum Aufbau einer tiefgründigen Beziehung zum Einsatzort als Motor eines dauerhaften Engagements führt.

(c) globalcitizen.org

(c) globalcitizen.org

Wer selbst einmal im Rahmen eines Volunteering-Projekts Armut und Umwelt-Probleme hautnah erlebt, den Alltag mit den Bewohnern seines Gastlandes geteilt hat, kann eine andere Einstellung entwickeln, wenn es um die Lösung globaler Probleme geht.

Als Freiwilliger sollten man nicht den Satz „Hallo, ich bin hier um zu helfen.“ auf den Lippen tragen, wenn man aus dem Flugzeug steigt, sondern seine Gastgeber lieber mit den Worten „Hallo, ich bin hier um zu lernen, wie ich helfen kann.“ begrüßen. Nach globalcitizen.org würden wir dies als Immersion/Study Trip einordnen.

Ich hoffe, dass Sie in Zukunft eine bessere Ausgewogenheit finden zwischen dem Inhalt eines entwicklungspolitischen Interviews und dem Wunsch mit einer kurzen Überschrift auf Facebook und Twitter zu punkten. „Zu den Armen in Afrika reisen“ hat zwar 19 Zeichen weniger als „die Einwohner von Entwicklungsländern verstehen“, aber es ist nicht dasselbe.

Ihr Frank Seidel

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Frank Seidel

Frank Seidel ist der Gründer von www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com, dem unabhängigen Portal für flexible und sinnvolle Freiwilligenarbeit im Ausland. Seit er 1991 selbst ein Praktikum in einem Naturschutzgebiet in Südfrankreich machte, beschäftigt er sich mit freiwilligem Engagement weit ab der Heimat, in der Vergangenheit auch als Autor des Buches "Jobben für Natur und Umwelt" oder als Marketing-Direktor einer weltweit agierenden Freiwilligenorganisation.

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