Wenn Sie uns schon längere Zeit verfolgen, wissen Sie, dass wir regelmäßig Stellung zu Kinderrechts-Fragen beziehen. Seit der Gründung unseres Online-Portals schließen wir zum Beispiel alle Freiwilligenprojekte in Waisenhäusern aus, die aus verschiedenen Gründen dem Wohlergehen der Kinder schaden.
Neueste Nachricht: Wegweiser Freiwilligenarbeit unterzeichnet gemeinsam mit 22 weiteren Organisationen eine Empfehlungsliste für die nächste Kinderrechtsstrategie der EU, die für 2021 geplant ist.
Während der Phase der öffentlichen Konsultationen wurde ein offizielles Dokument herausgegeben, in dem diese Empfehlungen detailliert beschrieben werden – mit dem Ziel, Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern von den Projekten des Europäischen Solidaritätskorps auszuschließen.
Worum geht es?
Überall auf der Welt wachsen Millionen von Kindern in Einrichtungen auf (Waisenhäuser, besondere Zentren und Internate, etc.), in denen gegen ihre Rechte verstoßen wird, ein höheres Risiko für Gewalt besteht und ihren Bedürfnissen nicht Rechnung getragen wird.
Jahrzehntelange Recherchen haben ebenfalls ergeben, dass ein Großteil der Kinder, die in diesen Einrichtungen leben, keine Waisen sind, sondern aus anderen Gründen dort hingebracht wurde (Menschenhandel, Armut, Marginalisierung, Mangel an Strukturen zur Unterstützung von Familien in den Kommunen, etc.).
Die nächste EU-Kinderrechtsstrategie, die 2021 veröffentlicht werden soll, bietet eine einmalige Gelegenheit, die Kinderrechte zu stärken und dabei besonderen Wert auf die Verpflichtung der EU zu legen, den Übergang von der Kinderbetreuung in Einrichtungen hin zur Betreuung in Familien zu gewährleisten.
Um die Rechte aller Kinder zu schützen, darf bei der Strategie die besonders gefährdete und oft unsichtbare Gruppe der Kinder, die bereits in Waisenhäusern untergebracht oder davon bedroht sind, nicht vergessen werden.
Dieses Dokument, das von Wegweiser Freiwilligenarbeit und 22 weiteren Organisationen unterzeichnet wurde, beinhaltet Empfehlungen zur Art und Weise, wie das Recht der Kinder auf eine Betreuung in einer Familie oder Gemeinschaft in die EU-Kinderrechtsstrategie integriert werden kann.
Der Kampf gegen Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern als Teil der EU-Kinderrechtstrategie
Von den verschiedenen Empfehlungen, die in diesem Dokument aufgelistet werden, ist der 6. Punkt für uns von besonderem Interesse („Schutz der Kinder vor Menschenhandel“), da es dabei unter anderem um die Problematik von Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern geht.
Es existiert ein Zusammenhang zwischen Menschenhandel und Waisenhäusern, der sich nicht leugnen lässt. Viele Einrichtungen dieser Art verdienen Geld auf Kosten der Kinder, die sie aktiv aus gefährdeten Familien „anwerben“, um einen ständigen Strom an Spendengeldern, Touristen und internationalen Freiwilligen sicherzustellen. Dies ist vor allem in Ländern der Fall, die für Tourismus und Freiwilligenarbeit bekannt sind, wie zum Beispiel Kambodscha, Nepal oder Uganda.
Noch immer bieten zahlreiche Freiwilligen-Organisationen Projekte in Waisenhäusern an. Auch einige geregelte Freiwilligendienste, die vom Staat oder der EU subventioniert werden (wie der Europäische Solidaritätskorps, früher Europäischer Freiwilligendienst) vermitteln Freiwillige an Projekte in Waisenhäusern.
Konkrete Maßnahmen
Zum Thema Risiken von Freiwilligenarbeit und anderen Formen der Unterstützung von Waisenhäusern beinhaltet das Dokument folgende von den 23 unterzeichnenden Organisationen empfohlenen Maßnahmen:
- Zur-Kenntnis-Nehmen des Menschenhandels in Zusammenhang mit Kinder-Einrichtungen sowie des Risikos der Ausbeutung von Kindern, die in einer waisenhausähnlichen Einrichtung leben oder dort untergebracht werden sollen.
- Zur-Kenntnis-Nehmen der negativen Folgen von Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern sowie Empfehlung solche Projekte im Europäischen Solidaritätskorps 2021-2027 und anderen Programmen der EU zu verbieten. Dabei ist es wichtig, besonderen Fokus auf das Risiko der Ausbeutung, des Menschenhandels und des sexuellen Missbrauchs im Zusammenhang mit solchen Einrichtungen zu setzen und potenzielle Freiwillige für diese Problematiken zu sensibilisieren.
- Forschung fördern, um besser zu verstehen, wie die Europäische Union durch Programme für internationale Zusammenarbeit und Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen zum Problem des Menschenhandels in Waisenhäusern beiträgt, und Vorschlag angemessener Lösungen zum Schutz der Kinder.
Es gibt keine „richtige“ Art, Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus zu machen
Auch wenn eine Spende, der Besuch oder die Teilnahme an einem Freiwilligenprojekt in einem Waisenhaus eine gute Idee zu sein scheint, richtet man damit in Wirklichkeit mehr Schaden als Nutzen an.
Dabei kann nicht von „guten“ oder „schlechten“ Waisenhäusern die Rede sein, da selbst in einem Waisenhaus, das von Personen geführt wird, denen das Wohl der Kinder wirklich am Herzen liegt, das Grundprinzip der Einrichtung bedenklich bleibt. In einem Waisenhaus aufzuwachsen – sogar bei vermeintlich ethischen Grundsätzen – verursacht psychologische Entwicklungsschwierigkeiten bei den Kindern: emotionaler Stress, Mangel an Zugehörigkeitsgefühl, schmerzhafte Trennungen von den Tourist*innen/Freiwilligen, die ständig wechseln, etc.
Egal wo und wie lange: Es gibt keine „richtige“ Art, Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus zu machen.
Das Problem bleibt auch bei Freiwilligenarbeit über einen längeren Zeitraum bestehen, da dabei keines der oben genannten Probleme behoben wird. Egal wo und wie lange: Es gibt keine „richtige“ Art, Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus zu machen.
Um verwaiste oder gefährdete Kinder zu unterstützen, ist eine Unterbringung in einer familiären Struktur immer zu bevorzugen (in einer Pflegefamilie, bei mehr oder weniger nahen Verwandten, etc.).
Um mehr über dieses Thema zu erfahren, können Sie unseren Artikel lesen, in dem wir erklären, weshalb man auf unserem Portal keine Freiwilligenprojekte in Waisenhäusern findet.