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Neue Kampagne zu den Gefahren von Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern

Kampagne gegen Freiwilligenarbeit in WaisenhäusernWie Sie vielleicht bereits wissen, schließt Wegweiser Freiwilligenarbeit alle Freiwilligenprojekte in Waisenhäusern kategorisch von unserem Portal aus – die Gründe dafür können Sie in diesem Artikel nachlesen. Wir sind außerdem aktive Mitglieder des Netzwerks ReThink Orphanages, das zum Anlass des internationalen Tags der Kinderrechte am 20. November eine neue internationale Kampagne zum Kampf gegen Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern ins Leben gerufen hat. Unter dem Namen The Love You Give zielt diese Kampagne darauf ab, die breite Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren und jede*n Einzelne*n aufzurufen, sich für die Abschaffung dieses Systems stark zu machen.

Eine Dokumentarfilm, bei dem die Opfer zu Wort kommen

Im Mittelpunkt der Kampagne steht ein zwanzigminütiger Film, der in ganzer Länge frei verfügbar ist, und den wir Ihnen wärmstens ans Herz legen:

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Ungefähr 80 % der Kinder, die in einem Waisenhaus leben, haben mindestens ein lebendes Elternteil.
  • Für Kinder, die in einem Waisenhaus aufwachsen, ist das Risiko stark erhöht, Opfer von Gewalt, Menschenhandel oder Ausbeutung zu werden.
  • Die Unterbringung eines Kindes in einem Waisenhaus kann bis zu 10-mal mehr kosten als in einer familiären Struktur (Pflegefamilie, bei einem Verwandten, etc.).
  • Fast 8 Millionen Kinder leben noch immer in Waisenhäusern.

Dieser Dokumentarfilm gibt als einer der ersten den am stärksten von dem Problem Betroffenen die Möglichkeit, von ihren Erlebnissen zu berichten: ehemaligen Bewohner*innen, die in einem Waisenhaus aufgewachsen sind.

Die individuellen Umstände, die dazu führen, dass Familien ein Kind in einem Waisenhaus unterbringen, sind verschieden, doch leider gehört Armut in den meisten Fällen zu den ausschlaggebenden Faktoren. Das war zum Beispiel bei Ruth Wacuka der Fall, die von ihrer Großmutter in ein Waisenhaus in Nairobi gebracht wurde, nachdem ihre Mutter sie verlassen hatte. In ihrem Erfahrungsbericht erzählt die junge Frau, dass ihr kurz nach ihrer Ankunft im Waisenhaus klar gemacht wurde, dass sie nie wieder zu sich nach Hause zurückkehren würde, da die Finanzierung der Einrichtung vom Mitleid der Besucher*innen und Spender*innen abhing, die nicht mehr kommen würden, wenn sie wüssten, dass die Kinder eine Familie haben.

„Du fühlst dich wie ein Tier im Zoo.“

Ruth, Harrisson, Samora und die anderen Zeuginnen und Zeugen berichten außerdem von den Auswirkungen, die diese Situation auf ihre Entwicklung hatte: Fehlen von Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft, emotionale Not, Schmerz aufgrund des ständigen Kommens und Gehens von Freiwilligen, die eine Bindung zu den Kindern aufbauten, aber in jedem Fall irgendwann wieder abreisen mussten, etc.

Auch wenn sich die Dokumentation vor allem auf die Situation in Kenia beschränkt, sind die behandelten Problematiken von globalem Ausmaß. Nicht ohne Grund ist diese Art von Einrichtung aus dem westlichen Europa fast vollständig verschwunden.

Eine Plattform zur Förderung des Engagements

„Die negativen Auswirkungen ihrer Handlungen können Freiwillige erst verstehen, wenn man es ihnen erklärt.“

An dieser Stelle möchten wir auch den Erfahrungsbericht von Neelam erwähnen, die von ihrem – auf den ersten Blick idyllischen – Auslandsaufenthalt als Freiwillige in einem Waisenhaus erzählt. Erst nachdem sie nach Hause zurückgekehrt ist, wird sie sich der negativen Auswirkungen ihres Aufenthaltes bewusst – eine Erkenntnis, die leider eine Seltenheit ist bei denjenigen, die auch unbewusst zum Problem beitragen. Genau das ist das langfristige Ziel einer Kampagne wie dieser: die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren, um dann das System für die Unterbringung von Kindern aus schwierigen Verhältnissen oder ohne lebende Verwandte grundlegend zu ändern.

Um dies zu tun, wird den Besuchern der Website der Kampagne die Möglichkeit gegeben, sich dafür auszusprechen, nicht an Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern teilzunehmen (in Form einer Petition). Bis heute wurden bereits 800 Unterschriften gesammelt.

Der Platz eines Kindes ist in einer Familie, nicht in einem Waisenhaus, und es ist höchste Zeit, die Art zu ändern, wie wir Freiwilligenarbeit machen.

Seien auch Sie Teil der Veränderung, indem Sie:

  • sich auf loveyougive.org gegen Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern aussprechen
  • die Kampagne unter dem Hashtag #ChangeVolunteering weiterverbreiten.

Erzählen Sie Ihren Freunden von "Neue Kampagne zu den Gefahren von Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern" :

Frank Seidel

Frank Seidel ist der Gründer von www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com, dem unabhängigen Portal für flexible und sinnvolle Freiwilligenarbeit im Ausland. Seit er 1991 selbst ein Praktikum in einem Naturschutzgebiet in Südfrankreich machte, beschäftigt er sich mit freiwilligem Engagement weit ab der Heimat, in der Vergangenheit auch als Autor des Buches "Jobben für Natur und Umwelt" oder als Marketing-Direktor einer weltweit agierenden Freiwilligenorganisation.

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