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Erfahrungsbericht Freiwilligenarbeit Bolivien – Das eigentliche Entwicklungsland ist Deutschland

Klaus reflektiert in seinem Erfahrungsbericht über seine Freiwilligenarbeit in Lateinamerika, beantwortet eine unangenehme aber berechtigte Frage und gibt Tipps, wie man sich während des Freiwilligen-Projekts verhalten sollte.

„Was, in Bolivien warst du? In einem kleinen Andendorf? Respekt!“ Seit meiner Rückkehr gelte ich als der letzte Abenteurer oder als aufopferungsvoller Held der Menschlichkeit.

Alles Quatsch! Ich habe mich nicht für die Erlösung der Menschheit geopfert. Was macht uns glauben, das Leben in einem lateinamerikanischen Land sei unerträglich? Sind wir, die „Bewussten“, die „Aufgeklärten“, nicht allzu eifrig auf der Suche nach Problemen? Kinder mit Blähbauch – ja die gibt’s. Und Tropenwaldvernichtung und Erosion. Aber das andere – die Ruhe, die Herzlichkeit, die Lebensfreude, die Feiern, das gibt’s alles auch und hat meine sechs Monate in Bolivien außerordentlich schön gemacht. Nur heute, zurück in Mitteleuropa, krieg‘ ich manchmal den Blues und denke: „Das ist doch nicht auszuhalten hier!“

„Was hast du da jetzt genau gemacht in Bolivien?“ – Eine unangenehme, aber berechtigte Frage.

„Ja, äh, was hast du da jetzt genau gemacht während der Freiwilligenarbeit in Bolivien?“ Eine unangenehme, aber berechtigte Frage. Ich bin im Weg herumgestanden und habe die Bolivier bei der Arbeit aufgehalten. Ab und zu habe ich in der Baumschule Pflanzen gegossen. Dazu hätte wirklich kein Deutscher einfliegen brauchen. Nein, helfen konnte ich, der ich nicht gelernt habe und nix kann, dort wenig. Das war auch nicht der Hauptsinn der Sache. Ich konnte mich nur umsehen, lernen, versuchen zu verstehen.

Und der wichtigere, zweite Teil meines „Praktikums“ begann erst nach meiner Rückkehr. Ich habe eine Vortragsreise durch Deutschland gemacht zum Thema „Bolivien und Entwicklungspolitik“, sammle Spenden, veröffentliche Bilder, schreibe Artikel (diesen hier zum Beispiel), organisiere entwicklungspolitische Veranstaltungen. Denn das eigentliche Entwicklungsland ist nicht Bolivien, sondern Deutschland. Hier muss sich etwas entwickeln, nämlich ein Bewusstsein für das, was wir anrichten. Hier müssen wir aktiv werden, wenn wir den Bolivianern (Indern, Senegalesen …) helfen wollen. Good-Will-Aktionen in deren Heimatland können allenfalls symbolische Aktionen sein, und für symbolische Aktionen ist die Lage zu ernst.

„Dann hat sich deine Reise also nicht gelohnt?“ Doch. Für mich, weil ich die Chance bekam, Bolivien und damit auch Deutschland, ein völlig anderes und damit auch mein eigenes Leben kennenzulernen. Für meine Gastgeber und Freunde hat sich’s, glaub‘ ich, auch gelohnt, weil unser Kontakt mit meiner Abreise nicht abgebrochen ist, und ich versuche, das, was ich bei ihnen gelernt habe, hier umzusetzen.

Und ich wünsche allen, die die Dritte Welt verstehen und nicht nur durch die Touristenperspektive begaffen wollen, ähnlich viel Glück bei der Stellensuche, wie ich es hatte.

„Welche Tipps magst du Freiwilligen auf den Weg geben?“

„Welche Tipps magst du denen auf den Weg geben?“ Bescheiden bleiben. Sich seiner Kleinheit bewusst sein. Sich im Hintergrund halten. Erwartungen mitbringen, aber nicht nach deren Erfüllung drängen. Nichts erzwingen wollen. Sich auf Unerwartetes einstellen. Im Klaren darüber sein, dass die mitgebrachten Lösungen ins Leere zielen. Nicht den Weltenretter markieren. Auf Betroffenheitsgefasel verzichten. Keine Revolution lostreten wollen. Den Einheimischen folgen, ohne sie nachzuäffen. Zuhören. Lernen. Das Schöne genießen.

Und zurück in Deutschland: Laut werden. Aktiv werden. Politisch werden.

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Klaus

Klaus machte mit 24 als Student Freiwilligenarbeit. Bolivien war das Land seiner Wahl und dort lebte er mehrere Monate in einem kleinen Dorf in den Anden.

2 Kommentare

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  1. 25.03.2019
    Hallo Klaus! Dein Kurzbericht und vor allem Deine Schlussfolgerungen haben mir gefallen. Ich fliege wahrscheinlich demnächst nach Bolivien für einen freiwilligen Einsatz als Senior Expert. Gern würde ich mich mit Dir unterhalten. Vielleicht per Phone. Schreib mir doch mal eine e-mail, falls Du ds möchtest. Freundliche Grüße Konrad Antwort
    • 26.03.2019
      Hallo Konrad,

      Wir haben den Autor auf Ihren Kommentar aufmerksam gemacht. Antwort

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