Gut organisierte Freiwilligenarbeit im Ausland wird von den Aufnahmeprojekten in Afrika, Asien, Lateinamerika und anderswo sehr geschätzt und kann einen wichtigen Beitrag zum Globalen Lernen leisten. Der Wunsch vieler Menschen, sich aktiv vor Ort zu engagieren, hat aber auch zu perversen Auswüchsen geführt, die den Zielländern viel mehr schaden als nutzen. Im Kampf gegen Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern, einem der größten Problemfelder, gibt es jetzt erste Erfolge zu verzeichnen. Frank Seidel, Gründer von wegweiser-freiwilligenarbeit.com, berichtet von der internationalen Lobbyarbeit.
Leider sind Waisenhäuser heute in vielen Entwicklungsländern eher ein Geschäftsmodell als Einrichtungen des Kinder- und Jugendschutzes. Nach Schätzungen von UNICEF und anderer internationaler NGOs haben ca. 80% der Kinder in diesen Institutionen noch mindestens einen lebenden Elternteil und werden häufig unter falschen Versprechungen regelrecht bei armen Familien abgeworben. Neben direkten Spenden, Souvenir-Verkauf oder Adoptionsgebühren gehören leider auch die Teilnahmegebühren und Spenden von gut meinenden Freiwilligen zu den Einnahmequellen.
Als wir Ende 2013 mit wegweiser-freiwilligenarbeit.com an den Start gingen, war es von Anfang unser Ziel, sinnvolle und verantwortungsvolle Freiwilligenarbeit zu fördern. Deswegen waren wir das erste, und sind so weit wir wissen nach wie vor das einzige Freiwilligen-Portal weltweit, das alle Freiwilligenprojekte in Waisenhäusern komplett ausschließt.
Es war dann eine wichtige Anerkennung unseres Engagements als ich Ende 2015 vom internationalen Netzwerk Better Volunteering Better Care eingeladen wurde, an der Seite internationaler NGOs wie Save the Children, Friends International oder Lumos (die Stiftung von Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling) an der Lösung dieses Problems mitzuarbeiten.
Die internationale Tourismus-Messe WTM in London war jetzt Anlass für einige Netzwerk-Mitglieder zusammenzukommen und eine europaweite Kampagne gegen das Geschäftsmodell Waisenhaus anzustoßen und dabei den Freiwilligen-Sektor mit in die Verantwortung zu nehmen.
Vorreiter in dieser Hinsicht ist derzeit Australien, wo es auf Betreiben von ReThink Orphanages ein Gesetzesvorhaben gibt, nach dem jegliche Form organisierter Reisen in Waisenhäuser, egal ob von Kirchengemeinden, Bildungseinrichtungen oder Freiwilligenorganisation, als Form moderner Sklaverei unter Strafe gestellt werden soll.
In Kenia wurde Anfang des Monats die Registrierung neuer sogenannter Charitable Children’s Institutions ausgesetzt, und diese Woche erklärte schon die zweite bedeutende internationale Freiwilligen-Organisation sich vollständig aus Waisenhäusern zurückziehen zu wollen.
Auch die Podiumsdiskussionen zu Waisenhäusern und Moderner Sklaverei im Tourismus auf der WTM waren gut besucht. Die Lage am Rande der Messe der Bühne, die Themen des Bereichs Nachhaltiger Tourismus gewidmet war, lässt allerdings darauf schließen, dass es noch ein weiter Weg ist, alle Akteure von der Wichtigkeit des Themas zu überzeugen.