Willst du Entwicklungshelfer werden, dann kann flexible Freiwilligenarbeit mit einer unserer Partner-Organisationen der erste Schritt bei der Verwirklichung deines Berufswunsches sein. Allerdings musst du zunächst bescheiden bleiben, denn als ehrenamtliche/r Freiwillige/r wirst du keine Entwicklungshilfe oder besser Entwicklungs-Zusammenarbeit im eigentlichen Sinne leisten. Was ist der Unterschied zwischen Freiwilligen und Entwicklungshelfern? Gibt es letzteres überhaupt und wenn ja, wie wird man es? Wie kann Freiwilligenarbeit oder ein Freiwilligendienst dabei helfen, eine Stelle zu bekommen? All das erklären wir dir hier.
Tl;dr* – Kurz & knapp
- „Entwicklungshelfer“ gibt es als solche nicht – es handelt sich um Experten aus unterschiedlichen Bereichen, die ihr Wissen in einem Entwicklungsland weitergeben
- In der Entwicklungszusammenarbeit sind besonders Fachwissen und Berufserfahrung gefragt
- Freiwilligenarbeit bringt dir als erster Karriereschritt: Test des Berufswunsches, Auslandserfahrung, Sprachkenntnisse
* Too long: didn’t read – Zu lang, nicht gelesen
Begriffserklärung: Was ist überhaupt ein Entwicklungshelfer?
In fremden Ländern spannende Kulturen kennenlernen, Hilfe zur Selbsthilfe geben und wirklich zu einer Veränderung beitragen – so malen sich die meisten den Berufsalltag als Entwicklungshelfer aus.
Aber: Was ist überhaupt ein Entwicklungshelfer?
Im allgemeinen Sprachverbrauch versteht man unter einem Entwicklungshelfer einen Experten, der in einem Entwicklungsland sein Fachwissen weitergibt. Das kann zum Beispiel ein Arzt sein, aber auch ein Agraringenieur oder ein Handwerker.
Du siehst also: Entwicklungshelfer ist nicht gleich Entwicklungshelfer. Ein klassisches „Berufsbild Entwicklungshelfer“ gibt es nicht, denn in der Entwicklungszusammenarbeit kommen Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Fachleute auf ihren Gebieten sind und über mehrjährige Berufserfahrung verfügen.
Freiwillige, die noch in der Schule, in der Ausbildung oder auf der Uni sind, können in der Regel keinen Experten-Status für sich beanspruchen, denn sie weisen nicht die nötigen Fachkenntnisse auf.
Das nachfolgende Video erklärt sehr gut den Unterschied zwischen Freiwilligen und Experten, sowie wichtige Grundgedanken der modernen Entwicklungszusammenarbeit, wie Partnerschaft mit weniger privilegierten Ländern und bedarfsgesteuerte Stellenausschreibungen.
Der zweite Teil des Videos bezieht sich allerdings auf Entwicklungshelfer im Sinne des deutschen Entwicklungshelfergesetzes (siehe nächster Abschnitt) und ist deswegen nicht allgemeingültig.
In Deutschland gibt es ein eigenes Entwicklungshelfer-Gesetz
Daneben gibt es in Deutschland ein offizielles Entwicklungshelfer-Gesetz, das eine eigene Definition des Begriffes beinhaltet. Entwicklungshelfer ist demnach, wer mit einem staatlich anerkannten Träger des Entwicklungsdienstes mindestens zwei Jahre lang „in Entwicklungsländern ohne Erwerbsabsicht Dienst leistet, um in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zum Fortschritt dieser Länder beizutragen“. Darin, dass Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer ihren Dienst „ohne Erwerbsabsicht“ leisten, unterscheiden sie sich von den anderen Fachkräften.
Wenn du dich bei anderen Quellen im Internet über deine beruflichen Chancen in der Entwicklungszusammenarbeit oder über den Begriff „Entwicklungshelfer“ informierst, solltest du deshalb überprüfen, ob dort die offizielle Definition aus dem Gesetz als Grundlage gilt oder die umgangssprachliche Bedeutung. Davon hängen nämlich oft die Teilnahmevoraussetzungen, aber auch z. B. dein rechtlicher Status während deines Einsatzes ab.
Entwicklungszusammenarbeit ≠ Entwicklungshilfe?
Früher wurde Entwicklungszusammenarbeit noch Entwicklungshilfe genannt. Im aktuellen Begriff spiegelt sich der modernere und fairere Ansatz wider: Im Mittelpunkt steht die Kooperation von gleichberechtigten Partnern anstatt des einseitigen Empfangs von Hilfeleistungen oder die Einteilung in Geber- und Nehmerländer.
Wie werde ich Experte in der Entwicklungszusammenarbeit?
Voraussetzungen, um in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten, sind meist Fachwissen, einschlägige Berufserfahrung und Sprachkenntnisse. Auch Auslandserfahrung durch einen längeren Auslandsaufenthalt, wenn möglich in einem Schwellenland oder Entwicklungsland, ist für viele Stellen Pflicht.
Experte in der Entwicklungszusammenarbeit wirst du also, indem du eine Ausbildung machst oder studierst und anschließend eine Zeit lang in deinem Beruf arbeitest, um Erfahrung und praktisches Wissen zu sammeln. Wenn du dein Können noch mit Auslandserfahrung kombinierst, erhöhst du deine Chancen auf eine Stelle.
Ingenieure, Techniker und Handwerker aus allen Branchen sind besonders gefragt. Davon abgesehen werden auch häufig Experten aus folgenden Branchen gesucht:
- Medizin
- Ernährung
- Agrar-, Forst- und Gartenbau
- Logistik
- Geographie und Geologie
- Wasserbau
- Vermessung
- Stadt- und Raumplanung
Wie kann mir Freiwilligenarbeit im Ausland auf meinem Weg helfen?
Mach den „Selbsttest Freiwilligenarbeit“
Freiwilligenarbeit im Ausland bietet dir eine gute Möglichkeit, in den Lebensalltag in einem Land mit geringerem Lebensstandard hinein zu schnuppern, besonders was Komfort, Lebensbedingungen vor Ort und einen möglichen Kulturschock angeht. Du wirst so schnell feststellen, ob du trotz dieser Herausforderungen für den Beruf geeignet bist und wirklich als Experte in der Entwicklungszusammenarbeit arbeiten möchtest. Du kannst deine eigene Motivation überprüfen und zwei wichtige Fragen beantworten:
- Bin ich in der Lage, mich an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen und dauerhaft meinen – aus materieller Sicht – höheren Lebensstandard aufzugeben?
- Kann ich mich auf eine fremde Kultur einlassen und mit Menschen dieser Kultur zusammenarbeiten?
Komfort und Lebensbedingungen: Strom und Wasser, nein danke?
Nicht jeder kann (oder will) wochen- und monatelang zum Beispiel ohne warmes Wasser leben. Im eigenen Zimmer in Deutschland, frisch gebadet und mit dem Handy mit WLAN-Zugang in der Hand, fällt es leicht, zu behaupten, man könne auf jeglichen Komfort verzichten. Vor Ort sähe das allerdings oft schon ganz anders aus. Als Volunteer bist du zwar nur in Ausnahmefällen Extremsituationen ohne fließendes Wasser und gänzlich ohne Strom ausgesetzt. In vielen Einsätzländern sind Stromausfälle oder Rationierung des Wasserverbrauchs allerdings keine Ausnahme. Erst wenn du selbst einmal eine gewisse Zeit auf eine warme Dusche oder Strom rund um die Uhr verzichtet hast, kannst du einschätzen, ob du diesen Belastungen tatsächlich auch längerfristig standhalten kannst.
Stelle dich auf länderspezifische Probleme ein
Zudem solltest du die Konfrontation mit echter Armut nicht unterschätzen. Jeden Tag mit Menschen zusammenzuarbeiten, die kein Dach über dem Kopf haben oder nicht genug zu essen, kann psychisch sehr belastend sein. Freiwilligenarbeit hilft dir dabei, herauszufinden, ob du mit dieser Herausforderung umgehen kannst. Du wirst außerdem feststellen, dass es in Entwicklungsländern Probleme gibt, denen du in Westeuropa kaum noch begegnest. Viele Staaten haben beispielsweise mit Korruption zu kämpfen, und Frauen verfügen mancherorts über weniger Rechte als Männer. Auch der Umgang mit solchen Problemen will gelernt sein.
Diese Erfahrung kann dich in deinem Berufswunsch bestärken – oder dir helfen einen Ausbildungsweg auszuschließen, der dich in eine Sackgasse geführt hätte. Auch das ist keine Schande, denn nicht jeder ist für einen Job in der Entwicklungszusammenarbeit geschaffen.
Kulturelle Unterschiede: verstehen statt verurteilen
Willst du in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sein, solltest du allerdings nicht nur anpassungsfähig sein, was beispielsweise die hygienische Versorgung angeht, sondern auch in kultureller Hinsicht. Als Experte vor Ort musst du in der Lage sein, dich in die Kultur der Menschen, mit denen du arbeitest, hineinzudenken und diese zu akzeptieren.Ein Denken, das von der Überlegenheit der westlichen Kultur ausgeht, hat bei der Entwicklungszusammenarbeit nichts verloren. Im Gegenteil: Trotz möglicherweise großer kultureller Unterschiede geht es gerade nicht darum, diese Unterschiede zu beseitigen. Ziel ist vielmehr, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und den Menschen vor Ort so Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten.Freiwilligenarbeit im Ausland hilft dir zu überprüfen, wie kulturell flexibel du bist.
Das zeichnet dich aus: Freiwilliges Engagement im Ausland
Freiwilligenarbeit in einem Entwicklungsland hilft dir nicht nur dabei, herauszufinden, ob du für die Entwicklungszusammenarbeit geeignet bist, sondern auch deinen Lebenslauf mit wichtigen Referenzen zu füllen. Denn Auslandserfahrung, idealerweise in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Südosteuropa, ist in dieser Branche ein absolutes Muss. Wenn es sich dabei auch noch um freiwilliges Engagement in einem Entwicklungsland handelt, zeigst du zudem, dass dir die Werte der internationalen Zusammenarbeit wirklich wichtig sind.
Mit deiner Freiwilligenarbeit hast du bereits bewiesen, dass du auch unter nicht idealen Bedingungen arbeiten und durchhalten kannst – ein wichtiger Punkt bei der Auswahl künftiger Experten. Denn NGOs, staatliche oder internationale Organisationen, die die potenziellen Arbeitgeber darstellen, wollen sicher sein, dass du nicht nach ein paar Wochen im Projekt den Kulturschock nicht verarbeitest.
Englisch, Spanisch, Suaheli – Sprachkenntnisse bringen Pluspunkte
Du kannst aber nicht nur bei der Praxiserfahrung mit deiner Freiwilligenarbeit punkten sondern auch, was dein Fremdsprachenniveau angeht. Freiwilligenarbeit ist ideal dazu geeignet, die eigenen Sprachkenntnisse zu verbessern.Dadurch, dass du oft mit anderen Freiwilligen zusammenarbeitest, kommst du nicht darum herum, Englisch zu sprechen. Freiwilligenarbeit bietet dir aber auch eine gute Gelegenheit, die Landessprache zu lernen oder deine Kenntnisse zu verbessern, beispielsweise indem du dich für eine Gastfamilie entscheidest. Du kannst so z.B. in Südamerika dein Spanisch aufbessern und in deiner Bewerbung mit deinen Sprachkenntnissen glänzen.
Noch mehr Pluspunkte sammelst du, wenn du dir Kenntnisse der lokal dominierenden Sprache deines Einsatzortes aneignest. Besonders in Afrika und Lateinamerika sind zwar häufig europäische Sprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch oder Portugiesisch offizielle Amtssprachen, die aus der Kolonial-Zeit übriggeblieben sind. Die Mehrheit der Bevölkerung, vor allem Menschen mit geringem Bildungsniveau, spricht aber häufig eine lokale Sprache. Wer Freiwilligenarbeit in Tansania gemacht hat und deswegen schon Grundlagen in Suaheli beherrscht, hat bei Bewerbungen für Stellen in ebendiesem Land deutlich bessere Karten als Mitbewerber, die nur Englisch vorzuweisen haben.
Am Ball bleiben: Wie geht es nach der Freiwilligenarbeit weiter?
Freiwilligenarbeit hat dich in deinem Ziel, in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten, bestärkt? Dann bleib am Ball. Ein guter nächster Karriereschritt auf dem Weg dorthin ist beispielsweise das ASA Programm, ein entwicklungspolitisches Lernprogramm, in dessen Rahmen jedes Jahr Stipendien an rund 250 Teilnehmer aus Deutschland und aus der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens vergeben werden. Für dieses Programm kann man sich vom 20. November bis zum 10. Januar online bewerben.
Anders als für flexible Freiwilligenarbeit, die auch Schülern und Abiturienten offensteht, müssen ASA-Stipendiaten bereits über relevante Fach- und Sprachkenntnisse verfügen, die je nach ausgewähltem Projektpraktikum variieren können.Zurück in der Heimat bereiten die Teilnehmenden eine Aktivität Globalen Lernens (AGL) vor, beispielsweise einen Vortrag oder einen Filmabend. Sie berichten dabei über Probleme und Erfolge während ihres Praktikums und tragen so zur Sensibilisierung der Bevölkerung im globalen Norden für die Situation des globalen Südens bei.
Auch wir bei wegweiser-freiwilligenarbeit.com sind der Meinung, dass der Sinn von Freiwilligenarbeit oder Praktika in Entwicklungsländern vor allem darin besteht, dass sich die Einstellung der Freiwilligen ändert und sie sich nach ihrer Rückkehr langfristig entwicklungspolitisch engagieren.
ASA in Kürze:
- Alter: 21 bis 30 Jahre
- Dauer: 3 bis 6 Monate
- Wohnort: Deutschland oder deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens
- Qualifikation: Studierende (Bewerbung bis zu 1,5 Jahre nach dem Bachelor-Abschluss möglich) oder Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung
- Aufbau: Seminare, Projektpraktikum in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Südosteuropa, Organisation einer eigenen Aktivität im Heimatland (z.B. Workshop oder Ausstellung)
- Bewerbungszeitraum: 20. November bis 10. Januar
Nachwuchsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit
Mit der Teilnahme bei ASA steigen auch deine Chancen, später einen Platz in einem der begehrten Programme zur Förderung von Nachwuchskräften in nationalen und internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit zu ergattern:
Deutschland
- Postgraduiertenprogramm des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik
- Postgraduiertenstudium beim Seminar für ländliche Entwicklung in Berlin
- Traineeprogramm der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit)
- Programm „Beigeordnete Sachverständige“
Österreich
Schweiz
Wie im Artikel ausgeführt ist die Suche nach einer Stelle in der Entwicklungszusammenarbeit in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit einer normalen Stellensuche.
Wenn Sie in Tunesien für Barrierefreiheit arbeiten möchten, müssen Sie eine entsprechende Stelle finden, oder ggf. tunesischen Organisationen oder Unternehmen, die in diesem Bereich arbeiten, eine Initiativbewerbung schicken.
Für flexible Freiwilligenarbeit (für geregelte Freiwilligendienste sind Sie leider zu alt) gilt dasselbe: Sie müssen zunächst eine Organisation finden, die ein derart ausgerichtet Projekt anbietet. Aber solche speziellen Projekte sind sehr selten.
Viel Glück!