Warum für Freiwilligenarbeit bezahlen?
„Warum kostet Volunteering im Ausland Geld?“ ist eine der am häufigsten gestellten Fragen zum Thema Freiwilligenarbeit. Oder anders formuliert: Warum muss ich dafür bezahlen, meine Arbeitskraft und -Zeit kostenlos zur Verfügung zu stellen? Die kurze Antwort lautet: Weil das Ganze Kosten verursacht und jemand die Rechnungen bezahlen muss. Wir erklären auf dieser Seite, warum das im Bereich der Freiwilligenarbeit im Ausland meist die Freiwilligen selbst sind.
Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung ist die Organisation von Freiwilligendiensten und flexibler Freiwilligenarbeit nicht kostenlos, sondern eine kostspielige Angelegenheit. Unterbringung & Verpflegung am Einsatzort, auf die manche angehenden Freiwilligen die Ausgaben gern beschränkt sähen, sind nur ein ganz kleiner Teil der Gesamtrechnung. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit bezuschusst einen weltwärts-Dienst mit bis zu 580€/Monat, also z. B. 6.960€ für einen 12-monatigen Dienst. Rechnet man noch den 25%igen Eigenanteil der Trägerorganisation hinzu kommt man auf stolze Gesamtmittel von rund 9.280€. Eine internationale Studie von 2008 schätzt die durchschnittlichen Gebühren für die Teilnahme an einem flexiblen Freiwilligenarbeits-Projekt auf 1.050€, wobei die Dauer hier meist erheblich geringer ist.
Inhaltsverzeichnis
- Welche Kosten entstehen bei der Organisation eines Freiwilligen-Programms?
- Wer soll bezahlen?
- Geht’s denn nicht doch billiger?
- Ausnahme qualifizierte Entwicklungs-Zusammenarbeit
- Sind Unternehmen teurer?
Welche Kosten entstehen bei der Organisation eines Freiwilligen-Programms?
Vorbereitung und Projekt-Management
Ein qualitativ hochwertiges Freiwilligen-Projekt zu organisieren ist eine komplizierte Angelegenheit. Es gilt die Wünsche und Bedürfnisse dreier Interessensgruppen zu befriedigen:
- Die Freiwilligen
- Das Projekt, das die Freiwilligen empfängt (z. B. eine Schule oder ein Naturschutzgebiet)
- Die Nutzer des Projekts, in dem sich die Freiwilligen engagieren (z. B. die Schüler der Schule oder das Ökosystem des Naturschutzgebietes)
Deswegen fangen die Kosten schon lange vor dem Arbeitsantritt der Freiwilligen mit der Vorbereitung an:
- Flugtickets müssen gebucht werden, um die Projekte in Augenschein zu nehmen, mit den lokalen Verantwortlichen den Rahmen abzustecken, die Seriosität der Partner zu prüfen usw.
- Diese Evaluierung wird idealerweise von geschulten und erfahrenen, hauptamtlichen Mitarbeitern übernommen, die ein Gehalt bekommen.
Information und Auswahl potenzieller Freiwilliger
Anschließend muss das Projekt bekannt gemacht werden. Dazu fallen
- Druckkosten für Broschüren an,
- Gebühren für die Teilnahme an Messen oder
- Kosten für die Erstellung einer Website.
- Wieder müssen Mitarbeiter bezahlt werden, die die Fragen interessierter Personen beantworten und evtl. die richtigen Freiwilligen auswählen.
- Bei manchen Organisationen werden Auswahl-Wochenenden durchgeführt, was erneut Kosten verursacht.
Kosten am Einsatzort: mehr als nur Unterbringung & Verpflegung
Auch der Aufenthalt am Einsatzort ist nicht kostenlos, selbst wenn die Lebenshaltungskosten vergleichsweise niedriger als in Europa ausfallen. „Na klar,“ sagen jetzt einige, „Natürlich bin ich bereit, für Unterkunft und Verpflegung zu bezahlen.“ Aber damit ist es leider nicht getan.
Hast du auch an diese Dinge gedacht?
- Transportkosten vom und zum Flughafen
Allein dieser Punkt kann bei Projekten, bei denen du im Geländewagen (Anschaffungs- und Unterhaltungskosten!) in ein im ländlichen Raum gelegenes Projekt gebracht wirst, mit mehr als 100€ zu Buche schlagen. - Personalkosten für die Personen, die dir ggf. bei Problemen helfend zur Seite stehen
- Organisation von Fortbildungen oder Treffen einer Volunteer-Community
- Versicherung
- Besonders bei Naturschutz- und Wildlife-Projekten in entlegenen Regionen, in denen es noch schützenswerte Natur gibt, verlangt die Schaffung der notwendigen Infrastruktur oft hohe Investitionskosten, die alle Freiwilligen ein Stück weit amortisieren.
Sonderfall: Zuschüsse für das Freiwilligen-Projekt
Etwaige Zuschüsse an das Projekt, in dem du deinen Freiwilligendienst verrichtest, stellen einen sensiblen Sonderfall dar. Sensibel deswegen, weil viele wie selbstverständlich davon ausgehen, dass ein bedeutender Teil des Teilnahme-Beitrags direkt in die Kassen des hilfebedürftigen Projekt fließt. Es gibt aber auch triftige Gründe, Volunteering gerade nicht direkt an Zuschüsse zu koppeln.
Beide Seiten haben gute Argumente. In Kurzfassung:
- Helfende Hände westlicher Freiwilliger sind nur indirekt nützlich. Für viele Dinge braucht man schlichtweg Geld.
- Was für viele Freiwillige ein geringer Betrag ist, und deshalb leicht von ihnen aufgebracht werden kann, stellt für die Projekte einen bedeutenden Beitrag dar.
- Finanzielle Unabhängigkeit der Projekte wahren, die nicht zusammen fallen dürfen, wenn es mal keine Freiwilligen gibt.
- Wenn es für jeden Freiwilligen Geld gibt, ist die Gefahr groß, die Projekte an den Bedürfnissen der Freiwilligen auszurichten und nicht an denen der lokalen Nutzer
.
Die sehr gefährlichen Waisenhaus-Projekte konnten z. B. nur deshalb entstehen, weil die Pseudo-Waisenhäuser von den Freiwilligen oder den Entsende-Organisationen direkte Zahlungen verlangen.
Wenn dir dieses Thema wichtig ist, empfehlen wir, konkret bei deiner Freiwilligen-Organisation nachzufragen, und für die Argumente beider Seiten ein offenes Ohr zu haben.
Nachbereitung und Monitoring
Selbst nach der Rückkehr gehen die Ausgaben weiter:
- Kosten für Nachbereitungs-Treffen fallen an.
- Wenn öffentliche Zuschüsse gewährt wurden, muss jetzt über deren Verwendung Rechenschaft abgelegt werden
- Alle Projekte müssen in regelmäßigen Abständen re-evaluiert, ggf. Änderungen implementiert werden. Dazu fallen in der Regel erneut Reisekosten an.
Büro-, Personal-, Verwaltungs-Kosten
Während der gesamten Dauer dieses Prozesses fallen für die Freiwilligen-Organisationen dieselben Kosten an, wie für andere Organisationen auch:
- Miete, Strom, Wasser, Heizung
- Buchhaltung
- Telekommunikation
- Büro-Ausstattung und Computer
- Versicherungen
- Rechtsbeistand
- usw.
- Vielfach sowohl in ihrem Heimatland als auch im Zielland. Doppelt also!
Da dieser sogenannte Overhead nur bedingt von der Länge der Freiwilligenarbeit abhängt, sind längere Aufenthalte meist auf den Monat umgerechnet billiger. Die Fixkosten lassen sich dann auf mehrere Monate umlegen. Schau dir die Preisstruktur deines Lieblings-Projekts an und prüfe, ob du nicht doch etwas länger mitmachen kannst. Ist auch besser für das Projekt!
Wer soll bezahlen?
Denkst du nun immer noch, dass Freiwilligenarbeit kostenlos sein sollte? „OK, aber warum muss ich die Zeche zahlen?“ hören wir jetzt immer noch vereinzelt.
Schauen wir uns die anderen Möglichkeiten einmal an, wer sonst noch in Frage käme.
Das Aufnahme-Projekt vor Ort?
Wohl kaum. Projekte greifen in der Regel gerade deswegen auf Freiwillige zurück, weil sie kein Geld haben, Personal aus eigener Tasche zu bezahlen um dieselbe Arbeit zu verrichten. Selbst lokales Personal nicht, das sich mit erheblich weniger zufrieden geben würde, als Freiwilligenarbeit normalerweise kostet. Die einzige Ausnahme ist qualifizierte Entwicklungshilfe, siehe unten.
Die Freiwilligen-Organisation selbst?
Immer seltener. Es gibt zwar immer noch einige Organisationen mit konfessionellem Hintergrund, die von ihrer jeweiligen Religions-Gemeinschaft Zuschüsse bekommen, aber die reichen bei weitem nicht aus, um alle Kosten abzudecken. Im besten Fall senkt das den Preis, den die Freiwilligen zahlen müssen.
Die öffentliche Hand?
Da kommen wir der Sache schon näher. Tatsächlich wenden der Staat und die Europäische Union erhebliche Finanzmittel auf, um diverse Freiwilligendienste zu bezuschussen. Für weltwärts will die Bundesregierung z. B. 70 Mill./Jahr ausgeben. Im Gegenzug verlangt die öffentliche Hand aber
- ein langes Engagement. Nur selten liegt die Dienstdauer unter 6 Monaten.
- das Durchlaufen eines Bewerbungs-Prozesses. Bei weltwärts, dem IJFD usw. eine Einsatzstelle zu ergattern, ähnelt sehr stark einer herkömmlichen Arbeitssuche. Es gibt Konkurrenz um die begrenzte Anzahl freier Plätze, und nicht jede oder jeder wird angenommen.
Und selbst für diejenigen, die in den Genuss eines geförderten Freiwilligendienstes kommen, ist mittlerweile fast immer der Aufbau eines Spender-Kreises Pflicht. Das Taschengeld, was die Freiwilligen bekommen, haben sie in vielen Fällen selbst über ihren Spenderkreis finanziert.
Es bleibst also nur noch du, um die Kosten für deine Freiwilligenarbeit zu decken. Vor allem dann, wenn du dich für nur ein paar Wochen oder Monate engagieren willst (siehe oben zur Problematik der Dienstdauer). Für Menschen über 30 gibt es sowieso keine geregelten Freiwilligendienste.
Aber Kopf hoch! Tausende ehemaliger Freiwilliger haben es bereits geschafft, ein Volunteering-Projekt in Afrika, Asien oder Südamerika zu finanzieren. Unser Finanzierungs-Ratgeber ist schon in Vorbereitung! Abonniere unseren Newsletter, damit du zu den ersten gehörst, die von seiner Veröffentlichung erfahren.
Geht’s denn nicht doch billiger?
Natürlich kann man nicht alle Projekte über einen Kamm scheren. Wie woanders auch, gibt es im Bereich der flexiblen Freiwilligenarbeit erhebliche Preisunterschiede.
Wie so häufig kommt es auf die individuellen Bedürfnisse an. Je flexibler, autonomer und anspruchsloser du bist, umso billiger wird’s, auch wenn du die Idee der kostenlosen Freiwilligenarbeit ad acta legen solltest. Das kannst du durchaus mit Dienstleistungen vergleichen: ein individueller Sprachkurs in einer exotischen Sprache bei einem voll ausgebildeten Lehrer ist eben teurer als ein Englisch-Kurs von der Stange, wo du dir denselben in der Ausbildung befindlichen Lehrer zu festgelegten Zeiten mit einem Dutzend anderer Personen teilst.
Wenn die Freiwilligen-Organisation deiner Wahl von Ehrenamtlichen getragen wird, drückt das wahrscheinlich die Kosten. Dann musst du aber in der Regel auch mit kurzen Bürozeiten, einer geringeren Auswahl und wenig Hilfe bei der Logistik rechnen. Auf der anderen Seiten schraubt Personal, das für Betreuung und Sicherheit vor Ort sorgt, die Kosten nach oben.
Unser Tipp: schau dir genau an, was im Preis mit drin ist und vergleiche.
Ausnahme qualifizierte Entwicklungs-Zusammenarbeit
Die Kosten übernimmt eigentlich nur dann ein Dritter oder ein Projekt vor Ort, wenn deine Präsenz einen echten Mehrwert darstellt. Sprich, wenn du Fähigkeiten besitzt, die so im Gastland nicht vorhanden sind, und es sich deshalb im engeren Sinne des Wortes lohnt, dich einzufliegen.
Dann sprechen wir aber nicht mehr über flexible Freiwilligenarbeit, um die es auf diesem Portal geht, sondern über berufliche Tätigkeit im Rahmen der Entwicklungs-Zusammenarbeit (früher Entwicklungshilfe). Aber die Anforderungen an Fachmitarbeiter in der Entwicklungs-Zusammenarbeit sind in den vergangenen Jahren sehr gestiegen. Nur Motivation reicht nicht mehr aus. Potenzielle Arbeitgeber werden solide Berufserfahrung und Praxis-Erfahrung in Entwicklungsländern von dir erwarten. Für letzteres kann ein flexibler Volunteering-Einsatz der richtige Start sein. Mehr dazu in unserem Blog-Beitrag Entwicklungshelfer werden.
Sind Unternehmen teurer?
Zu den Partner-Organisationen, die auf wegweiser-freiwilligenarbeit.com ihre Projekte veröffentlichen dürfen, gehören sowohl gemeinnützige Vereine, als auch private Unternehmen, die in einigen Fällen sogenannte Social Enterprises sind. Nach unserer Erfahrung lässt die Organisations-Form allein – Non-Profit oder Unternehmen – weder einen Rückschluss auf die Qualität der Projekte, noch auf das Preis-Leistungs-Verhältnis zu.
Bei den Unternehmen handelt sich meist um kleine Unternehmen, die von den Beiträgen der Freiwilligen nicht nur ihre eigenen Kosten bestreiten müssen, sondern auch ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Selten erreichen die Organisationen die Größe eines mittleren Unternehmens. Sie zeigen, dass es möglich ist, unternehmerisches Handeln mit sozialem und ökologischem Engagement zu verbinden. So wie es z. B. auch im Fairen Handel (fair trade) oder in der ökologischen Landwirtschaft anzutreffen ist.
Sind diese Organisationen deswegen teurer? Schließlich wird ein möglicher Gewinn ja auch aus den Beiträgen der Freiwilligen gespeist. Der Vergleich zeigt, dass das nicht unbedingt zutrifft.
Selbst wenn der Gewinn bei 5-10% liegt (real ist es häufig eher weniger) bedeutet dies, dass von einem Teilnahmebeitrag von 2.000€, nur 100-200€ nicht von den Kosten verschlungen werden. Umgekehrt heißt das auch, dass das Projekt selbst ohne den Unternehmensgewinn immer noch 1.800-1.900€ kosten würde.